• Interview

Zum Zusammenhang zwischen Temperatur und Gesellschaft in einer heißer werdenden Welt

22/04/2025

Interview mit Elena Beregow

Deutschsprachige Version

Elena Beregow steht im Foyer des Gebäudes, in dem das College untergebracht ist; im Hintergrund sieht man eine große Holztür

 

Der Mensch schwitzt – doch wer unter welchen Bedingungen schwitzt, ist vor allem eine Frage sozialer Verhältnisse. Die Soziologin Elena Beregow forscht zum Zusammenhang von Temperatur und Gesellschaft, insbesondere im Kontext der Klimakrise. Als neu berufene Juniorprofessorin wird sie die Forschungsgruppe „Sweat. Zur Soziologie des Schwitzens in einer heißer werdenden Welt“ aufbauen. Im Interview erklärt sie, welche Forschungsfragen sie konkret verfolgt und was es für sie interessant macht, am College der Universitätsallianz Ruhr zu arbeiten.

Was war der bisherige Fokus Ihrer Forschung, wo waren Sie vor Ihrer Berufung auf die Professur tätig?

In den letzten fünf Jahren war ich an der Universität der Bundeswehr in München beschäftigt. Ein wichtiger Fokus meiner Forschung liegt im Zusammenhang von Temperatur und Gesellschaft. In meiner Dissertation habe ich mich mit thermischen Figuren im soziologischen Denken auseinandergesetzt, vor allem den drei Figuren Feuer, Maschine und Gärung. Dieses Interesse richtet sich nun zunehmend auf empirische Phänomene im Zuge der Klimakrise. Ein zweites großes – eher kultursoziologisches – Interessenfeld sind Schreibweisen, Pop-Ästhetiken und Atmosphären.

Inwieweit arbeiten Sie interdisziplinär, welche Forschungsfelder berührt Ihre Arbeit?

Durch mein Interesse an kulturellen und ästhetischen Fragen liegt die Zusammenarbeit mit den Kultur-, Literatur- und Medienwissenschaften nahe. Als Mitherausgeberin der Zeitschrift Pop. Kultur und Kritik arbeite ich regelmäßig mit Kolleg*innen aus geisteswissenschaftlichen Fächern im Forschungsfeld der Popkultur und gegenwärtiger Pop-Ästhetiken zusammen. Dabei merke ich immer wieder, dass auch meine Denkweise eng mit diesen Fachkulturen verbunden ist. Auch für das vergleichsweise junge Feld der „Critical Temperature Studies“ war und ist die Zusammenarbeit u.a. mit Forschenden aus der Anthropologie oder den Medien- und Geschichtswissenschaften wichtig.

"Aus soziologischer Perspektive verstärkt Hitze Ungleichheiten: Durch ungleiche Zugänge und Vulnerabilitäten trifft sie bestimmte Gruppen besonders hart."

Das Thema Ihrer noch aufzubauenden Forschungsgruppe lautet „Sweat. Zur Soziologie des Schwitzens in einer heißer werdenden Welt”. Auf welche Aspekte und Forschungsfragen möchten Sie sich als Juniorprofessorin am College konzentrieren, und wie möchten Sie sie im Rahmen der Forschungsgruppe umsetzen?

Eine zentrale Forschungsfrage lautet, wie sich unser modernes Kühle- und Distanzideal im Lichte immer extremerer Hitzewellen verändert. Während neue technologische und zunehmend auch digitale Kühlinfrastrukturen eine Lösbarkeit versprechen, möchte ich am Phänomen des Schwitzens die neuen Spannungen und Problematiken untersuchen, die sich daraus ergeben. Aus soziologischer Perspektive verstärkt Hitze Ungleichheiten: Durch ungleiche Zugänge und Vulnerabilitäten trifft sie bestimmte Gruppen besonders hart. Gerade der schwitzende Körper ist zudem historisch an rassistische Diskurse, an Geschlechtervorstellungen und an körperliche Arbeit gebunden. Ich möchte verstehen, wie sich die Erzeugung sozialer Differenzen in und durch Hitze angesichts der Klimakrise darstellt und transformiert. Zugleich erfährt das Schwitzen eine Aufwertung in Wellness- und Sportkulturen, wo es an Optimierungs- und Gesundheitsdiskurse gekoppelt ist, und in der Popkultur, wo es für Protest und Transgression steht. Der Forschungsgruppe wird es darum gehen, diese ambivalenten Bedeutungen auszuloten – historisch, soziologisch-theoretisch, ethnografisch und diskursanalytisch.

Was macht es für Sie interessant, am College der Universitätsallianz Ruhr zu forschen?

Die Universitätsallianz bietet eine tolle Gelegenheit, jenseits klassischer Fakultätsgrenzen mit Kolleg*innen anderer Institute und Fächer zu kooperieren. Ich freue mich zum Beispiel sehr auf meine Lehre an der Fakultät Sozialwissenschaften der TU Dortmund und den Austausch vor Ort. Aber auch die Ermutigung, auf andere Fächerkulturen zuzugehen, schätze ich sehr. Hier bekommt man ganz andere Perspektiven auf das Forschungsthema als aus dem eigenen Fach – was idealerweise auch umgekehrt gilt. Am College reizt mich besonders das Prinzip der Themenoffenheit und die Struktur aus „festen“ Professuren und wechselnden internationalen Fellows. So lässt sich fokussiert in der Forschungsgruppe arbeiten und gleichzeitig bleibt man im Gespräch mit ganz unterschiedlichen Wissenschaftler*innen.

Wo sehen Sie Potenzial für disziplinenübergreifende Forschungszusammenarbeit innerhalb der UA Ruhr? Mit welchen Instituten und Einrichtungen möchten Sie sich austauschen oder zusammenarbeiten?

Konkret würde ich gerne mit den Medienwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum zusammenarbeiten, wo ich ein großes geteiltes Interesse an (thermischen) Medienökologien oder auch an (digitalen) Kultur- und Körpertechniken sehe. Einmalig in Deutschland ist auch die Kulturanthropologie des Textilen an der TU Dortmund, die sich mit Mode und vestimentären Kulturen befasst. Arbeits- und Sporttextilien stellen für meine Forschungsgruppe zentrale Aspekte dar. Für die Beschäftigung mit der Wissenschaftsgeschichte des Schwitzens würde ich gerne auf das Historische Institut an der Universität Duisburg-Essen zugehen, wo große Expertise etwa zur Sozial-geschichte des Sports und der industriellen Arbeit, aber auch zu Stadtgeschichte und Moderne vorhanden ist. Und schließlich ist das Kulturwissenschaftliche Institut (KWI) Essen sicher ein wichtiger Ankerpunkt der Zusammenarbeit, wo u.a. ein ERC-gefördertes Projekt zu Kulturen der Kühlung läuft.

Wie möchten Sie dazu beitragen, die internationale Vernetzung der UA Ruhr in den Sozial- und Geisteswissenschaften voranzubringen?

Ich würde gerne meinen Kontakt zum Heat Lab an der University of California in Los Angeles (UCLA) fortsetzen, deren Fokus auf thermischen Ungleichheiten v.a. im urbanen Raum liegt, ebenso wie mit dem Centre for the Social Study of Microbes in Helsinki. Gerade beim Thema Hitze scheint es mir zudem wichtig, auch Perspektiven aus dem Globalen Süden einzubeziehen – sei es für Feldforschungsaufenthalte und den Dialog mit Akteur*innen vor Ort oder für die Besetzung der internationalen Workshops und Tagungen unserer Forschungsgruppe.

 

English version of this interview

© © UDE / Fabian Strauch

Prof. Elena Beregow

Junior Professor | Research Group 'Sweat - Sociology of Transpiration in the Age of Global Warming'

Phone: +49 201 183 65 66

E-mail:

Elena Beregow studied sociology in Göttingen, Hamburg, and Copenhagen and completed her PhD at the University of Hamburg with a dissertation on thermal figures in social theory, focusing on fermentation as both a sociological concept and a material practice. From 2020 to 2025 she was a postdoctoral researcher at the University of the Bundeswehr Munich. Her research is situated at the intersection of sociological theory and cultural sociology, with a particular interest in the sociology of the senses, metaphors, microbes, and the social dimensions of temperature. She also explores sociological writing and theorising, as well as pop culture, affects, and atmospheres.